- alles auf rot...
Frank stand in der Schlange. Und auf dem Schlauch. Am Boden.
Aussichtslos seinen Wunsch der Wünsche sich selbst zu erfüllen. Auf
der Suche, nach der Erfüllung, hatte er alles ignoriert: Die Warnungen
seiner Familie, seiner Freunde und seiner Freundinnen, von denen es
wirklich genug gegeben hätte. Nun stand er also in der Bankfiliale in der
Schlange vor der Kasse und sah die ganze Wahrheit. Er war mittellos.
Die Mitte war er auch los. In küzester Zeit hatte sich für ihn
herausgestellt, dass dieses Leben dort schwer auszuhalten war. Er
würde nun, nachdem er sein ganzes Leben mit Suchen verbracht hatte,
nicht mehr suchen. Dabei schien es ihm lange gleichgültig, ob mit Geld
oder ohne. Eigentlich bezweifelte Frank das Ganze genauso wie die
einzelnen Teilchen davon. Die Summe die ihm blieb war deshalb unter
dem Strich der Zweifel. Darüber, sozusagen in Personalunion,
verabschiedete sich als Quintessenz seiner Verssuche und der ihn
daran hindern wollenden Versuchungen ein roter Teppich und ließ ihm
einen roten Faden nur. Doch keinen Strick.
Die Schlange war relativ lang, berücksichtigt man die frühe Stunde und
den Wochentag, war es doch einigermaßen verwunderlich, wie viele
Leute sich vor dem Panzerglas drängten. Einmal hinein gebissen in den
Apfel wollten alle das Eine. Und das wollte Frank nun endlich auch:
Geld. Möglichst schnell und in leichten papierenen Scheinen, damit man
nicht schwer tragen würde, beim vielleicht fluchtartigen Verlassen der
Bank. Allerdings war dabei in Kauf zu nehmen, dass man auf das
Klimpern, und, viel schlimmer noch, auf den Glanz von Münzen
verzichtete, erst recht, wenn man wie Frank, nur eine runde Summe von
sieben Zehnern noch stehen hatte auf dem Konto. Der letzte Rest. Sein
letztes Hemd hatte er bereits angezogen und trug es mit gewissenlosem
Stolz. So abgetragen und durchgebügelt sein Hemd auch war, so sehr
glänzte es. Damit machte es sich gemein mit der abgetragenen Hose die
es lässig und frei überstülpte, so wie es die Hose mit Franks Schuhen
machte, vermutlich aus Mitleid für deren Zustand. Modedesigner
mochten diesen Zustand von Franks Hose und Hemd mittlerweile
stilistisch als “Vintage” bezeichnen und teuer verkaufen. Für den
Zustand der Schuhe wäre ihnen kein so schöner Begriff eingefallen. Sie
waren beinahe, aber eben nur beinahe, vollständig abgetragen, obwohl
sie den Boden Franks praktisch so gut wie nie berührten...
Auszug aus “Alles auf Rot”, Roman, edition domreiter köln, köln 2 0 1 2